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Ein Blick auf Gestaltung

Wer ein Unternehmen, eine Organisation oder einen Verein gründet, sich neu ausrichtet oder sich selbstständig macht, stellt sich mit Sicherheit irgendwann die Frage nach einem Logo. Ein Logo muss her, oder, je nach Größe des Unternehmens – eine komplette „CI“ (Corporate Identity). Aber wie geht das? Und worauf kommt es an? Darüber schreibt die Designerin und bWb-Mitglied Sophie Dobrigkeit

Ein Logo ist ein „Konzentrat“ – die einfachste und kleinste Einheit, um die Story einer Marke zu erzählen und um die Werte eines Unternehmens nach innen und außen zu transportieren. Um die Strategie einer Marke in ihre einfachste Form zu bringen, müssen alle am Prozess beteiligten sich darüber im Klaren sein, was genau dieses „Konzentrat“ transportieren soll. Der Kern muss herausgearbeitet werden, um ihm eine Form zu geben.

Identity – das große Ganze

Ein Logo ist wie das Wahrzeichen einer Stadt. Es ist aus der Ferne zu sehen und zieht Besucher*innen an. Um ein passendes Zeichen für ein Unternehmen zu gestalten, muss man die Umgebung erkunden und wissen, in welcher Stadt es stehen soll und in welchem Land diese Stadt liegt. Man muss die genaue „Position“ definieren. Das gilt auch für die Entwicklung einer Marke. Ist man sich bei der Gestaltung der Positionierung bewusst, steht das Zeichen fest und wird von Weitem sichtbar. Die Besucher*innen werden den Weg hinauf auf den Turm finden.

Dann – der Blick von der Plattform des Eifelturms auf die Stadt! Dieser ist wunderbar, aber er macht eine Reise nach Paris noch nicht zu einem unvergesslichen Erlebnis. Da kommt es auf mehr an: Wie angenehm war die Anreise? Wie ist das Wetter, das Hotel, das Essen? Wie freundlich sind die Menschen, die ich treffe? Das Zusammenspiel aller Begegnungen ist am Ende für die Qualität des Erlebnisses ausschlaggebend. So wie die unverwechselbare Persönlichkeit einer Stadt wie Paris sich aus vielen unterschiedlichen Faktoren zusammensetzt, so stellt sich auch die Identität eines Unternehmens komplex dar. Alle Komponenten zusammen bilden erst die „Identity”. Deshalb ist es wichtig, das Ganze als System zu verstehen. Nicht nur ein Wahrzeichen zu erbauen, sondern die ganze Stadt in die Planung einzubeziehen.

Corporate Identity ist nichts, was man hat oder nicht. Jedes Unternehmen hat seine eigene Identität. Diese ist vorhanden, ob man sich als Unternehmer*in dessen bewusst ist oder nicht. Entscheidend für den Erfolg ist aber, diese Identität zu erkennen, zu lenken und sie stimmig zu kommunizieren. Passen die inneren Werte und die äußere Form überein, wird ein Unternehmen als authentisch wahrgenommen. Wie bei Personen, vertrauen wir eher denjenigen, die offen und mit klarer Stimme sagen, was sie denken. Dann kommt die Botschaft an.

Man kann „nicht nicht kommunizieren”

So wie die „Identität“ eines Unternehmens immer vorhanden ist – ob bewusst gestaltet oder nicht – gilt auch, dass jedes Element, ob Bild auf einer Webseite, Headline einer Broschüre, Brief oder Social Media Post, immer etwas über ein Unternehmen erzählt.

Ein Logo allein schafft kein einheitliches Erscheinungsbild. Wichtiger ist eine kreative Leitidee, entwickelt und abgestimmt auf die Strategie, und ein intelligenter Baukasten an Gestaltungselementen, die flexibel einsetzbar sind. So wird eine Marke unterscheidbar und wiedererkennbar in allen Medien.

Mit weitem Blick – von Anfang an

Der Blick von oben über eine Stadt ist ein tolles Erlebnis. Ein Perspektivenwechsel ist auch bei der Entwicklung eines Erscheinungsbildes Voraussetzung, um eine Unternehmenspersönlichkeit als Ganzes zu erkennen, diese systematisch zu verstehen und gestalten zu können. Mit geschulter Wahrnehmung und Empathie für Unternehmensziele und Kundenbedürfnisse gelingt die Visualisierung einer starken Marke.

Es ist für den Erfolg von Gründungs- und Veränderungsprozessen entscheidend, Gestaltung nicht auf das Design eines Logos auf die Erstellung einer Webseite zu reduzieren, sondern als Methode zu verstehen und frühzeitig einzubinden. Ich habe nicht selten in Projekten und Workshops erlebt, wie das Visualisieren von Konzepten nicht nur von Innen nach Außen kommuniziert, sondern gerade auch in der anderen Richtung: Die Umsetzung in Formen, Bilder oder Grafiken wirkt immer nach innen zurück. Durch die visuelle Darstellung werden die zugrunde liegenden Werte und Strategien greifbar und erlebbar. Nicht nur ein Logo braucht also eine Form – sondern einfach jede Idee braucht eine Form, um als Idee wahrgenommen und bewertet werden zu können.

Wenn Strategie, Marketing und Gestaltung optimal zusammenspielen, kann der Wesenskern einer Unternehmensidentität kommuniziert werden und ein unverkennbares Wahrzeichen für eine attraktive Stadt geschaffen werden. Das Ziel der Arbeit: Eine Reise, bei der einfach alles stimmt und an die ich mich lange und gerne erinnere. Dann komme ich wieder!

Was im Großen gilt, hat auch für unser junges Bergsträßer Netzwerk Bestand. Ein neues Logo, ein visueller Auftritt, diese Webseite: Alles zusammen ist entstanden in einem spannenden Prozess, bei dem sich Frauen mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen und Perspektiven eingebracht haben und den Kern des Vereins herausgearbeitet haben. Als Designerin war ich an diesem intensiven Prozess beteiligt und habe die Arbeit in diesem starken Team sehr geschätzt – es war ein optimales Zusammenspiel. Und das ist entscheidend.

Sophie Dobrigkeit – Designerin und Autorin

Dobrigkeit Design, Bensheim (gegründet 2000)
Schwerpunkt Markenentwicklung, Konzept & Gestaltung

kontakt@dobrigkeit-design.de
www.dobrigkeit-design.de

Sophie ist außerdem Gründerin der »Werkstatt für potentielles Grafikdesign« (OUGRAPO). Das jüngste Projekt – ein experimenteller Briefroman – ist 2020 als Buch erschienen im Verlag Das Wunderhorn, Heidelberg, unter dem Titel »mme perreq – 49 vorläufig endgültige Musterbriefe aus den Bild- und Textwerkstätten à la Oulipo«.

Infos unter ougrapo.picture-wordshop.de

 

Portraitfoto: Franziska Ambach