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Bürgermeisterin Christine Klein im Interview

Am 15. Dezember 2021 hat Christine Klein das Amt als Bürgermeisterin der Stadt Bensheim angetreten. In der Presse wurde dies vielfach als „historische“ Wahl bezeichnet, denn Bensheim hat mit Christine Klein jetzt erstmals eine Frau in dieser Position.

Frau Bürgermeisterin Klein, Frauen in Führungspositionen sind immer noch eine Seltenheit. Den Einstieg schaffen viele, den Aufstieg nur wenige. Was waren für Sie die größten Herausforderungen auf dem Weg zur Bürgermeisterin?

Die größte Herausforderdung ist, sich zu trauen und sich auch herausragende Positionen  zuzutrauen. Bürgermeisterin zu sein konnte ich mir durchaus vorstellen. Allerdings die Entscheidung tatsächlich zu kandidieren ist mir schon schwergefallen. Zwar war ich von Bürger*innen dazu ermuntert worden, doch meine Familie und auch Freund*innen waren skeptisch, haben mir eher abgeraten. Sie hatten Bedenken ich könnte scheitern, hätte Reputationsverlust, außerdem keine Zeit mehr für Familie, Freunde, Hobbies und so weiter. Weil ich das nicht hören wollte, habe ich mich bewusst denen zugewandt, die mich ermuntert haben zu kandidieren. Und als ich dann den Entschluss getroffen hatte zu kandidieren – von da an ist es mir gut gegangen. Von da an war ich relaxt, viele meldeten sich zur Unterstützung. Der Wahlkampf hat gemeinsam Spaß gemacht und ist super gelaufen.

Wie wichtig war die Unterstützung von Familie und Freunden in Ihrem bisherigen Werdegang?

Die Frage schließt sich gut an meine Schilderung an. In der Polizei habe ich mir einige Positionen erkämpfen müssen, weil  Frauen unter Vereinbarung von Familie und Erwerbstätigkeit ausgeschlossen wurden. So musste ich mir beispielsweise den Zugang für das Studium an der Verwaltungshochschule über das Innenministerium erringen. Die Polizeientscheider in der damaligen Polizeiabteilung beim RP Darmstadt hatten mir eine Absage erteilt. Mein Mann ist da eher zurückhaltend und nicht so kämpferisch aufgestellt, gleichwohl unterstützt er und auch meine Kinder mich in jeglicher Hinsicht. Letztlich sind sie stolz über meinen Einsatz und meinen Werdegang.

Ihr Wahlkampf lief unter dem Motto „Klimawechsel“. Werden sie auch im Rathaus das „Klima wechseln“, sprich den Führungsstil verändern? Führen Frauen Ihrer Ansicht nach anders als Männer und wenn ja, wo liegen die signifikanten Unterschiede?

Naja, ob es so signifikante Unterschiede gibt, bezweifele ich. Führung hat immer etwas mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Und wer mich kennt, weiß um meine offene und direkte Art. So spreche ich die Mitarbeiter*innen auf Augenhöhe an und habe auch die Bitte an die Mitarbeiter*innen mich offen anzusprechen. Menschlichkeit und Werte sind mir wichtig, partnerschaftliche Zusammenarbeit, Fairness, Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit, beiderseitiger Nutzen und Ehrlichkeit.

Sie sind Mitinitiatorin des Helene Weber Netzwerkes und dessen bundesweite Sprecherin. Das Netzwerk dient der Unterstützung und Vernetzung von Frauen in der Politik. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Frauen-Netzwerke für die berufliche und persönliche Entwicklung von Frauen? Unterschätzen Frauen das Netzwerken?

Frauen-Netzwerke sind für mich sehr wichtig. Deshalb habe ich auch das Helene-Weber-Netzwerk für Kommunalpolitikerinnen initiiert. Viele Jahre war ich Vorsitzende von einem deutschen Polizistinnen-Netzwerk, das auch international agiert hat. Netzwerke sind gut und wichtig, um sich weiterentwickeln zu können. Netzwerktreffen wirken stärkend durch die Rückendeckung der Netzwerkfrauen. Mir tut es gut, mich in einem geschützten Raum mit anderen Frauen über Erfahrungen austauschen zu können, Unterstützung und Hilfestellung bei schwierigen Situationen zu bekommen, auch bei Entscheidungen sich in der Politik oder für Wahlen zu positionieren. Für Männer haben Seilschaften unter sich Tradition und sind für ihr berufliches Fortkommen eine Selbstverständlichkeit. Frauen unterschätzen das in der Tat und können schlecht mit Förderung über „Vitamin B“ umgehen. Da können wir Frauen uns bei den Männern noch viel abgucken.

Von was ist ihr Werdegang am signifikantesten geprägt worden?

Meine Tätigkeit als Frauenbeauftragte hat mich ganz besonders geprägt. Mich für Dinge einzusetzen und zu kämpfen habe ich schon in meiner Jugend gelernt. Doch als Frauenbeauftragte wurde mir die Benachteiligung von Frauen in der Polizei und in allen Bereichen des Lebens bewusst. So habe ich begonnen nicht nur für meine Rechte, sondern auch die Rechte anderer Frauen zu kämpfen. Daher war ich viele Jahre auch Vorsitzende des europäischen Netzwerks von Polizeibeamtinnen. Zudem habe ich gelernt, nicht darauf zu warten, gefragt zu werden, um verantwortungsvolle Positionen übernehmen zu können, sondern mich selbst zu positionieren und etwas einzufordern. Außerdem habe ich gelernt, auf mich und meinen Bauch zu hören, statt auf Bedenkenträger*innen.

Sie haben u. a. den Helene-Weber-Preis erhalten, mit dem ehrenamtliche kommunale Mandatsträgerinnen gewürdigt werden, die sich durch herausragendes Engagement hervorgetan haben. Ebenso das Bundesverdienstkreuz für besonderes ehrenamtliches Engagement. Was bedeuten diese Auszeichnungen für Sie?

Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut. Den Moment, als ich davon erfahren habe, kann ich gar nicht in Worte fassen. Ich bin erstmal vor Ehrfurcht erstarrt und habe mich gefragt: Habe ich das wirklich verdient. Dann habe ich das alles für mich selbst rekapituliert und festgestellt: Es waren und sind unzählige Stunden, die ich mich für Frauen und deren Rechte eingesetzt und gekämpft habe. Und das ist ein vielfältiger Einsatz auf allen Ebenen.
Für mich ist dieses Engagement selbstverständlich. Dass ich dafür dann die Anerkennung in Form dieser beiden Auszeichnungen erfahren habe, habe ich als große Wertschätzung meiner Arbeit empfunden. Das hat mich ungemein gefreut.